Tunika mit Seiden- und Bortenbesatz

Des Mannes braune Wolltunika mit Wildseidenbesatz ist seine liebste Tunika – aber leider nicht so richtig authentisch. Die Wildseide wäre in Birka vermutlich als Tischdecke verwendet worden (gefundene Kleidungsseide war sehr, sehr fein verarbeitet und nicht von der groben, „rustikalen“ Art wie Wildseide typischerweise ist) und die Besätze sind auch etwas zu breit. Aber sie hat lange gehalten und wird auch sicher nicht einfach so aufs Altenteil geschickt.

Über die Jahre reifte der Plan, mal was Neues zu machen. Durfte ruhig schick sein, aber nicht überkandidelt (und nicht zu weit jenseits des Fundguts). Broschierte Seide, wie sie derzeit modern ist, schied also aus. Nach längerem Suchen entschied ich (wenn ich die ganze Zeit von mir in der dritten Person schreibe, werde ich rammdösig) mich für eine blaue, indigogefärbte Wolle von Jörg und chinesische Seide von Kaptorga, die ich allerdings in letzter Minute gegen eine rotholzgefärbte Seide von Susan ausgetauscht habe. Als zusätzlichen Schmuck habe ich eine sehr schöne Reproduktion der Borte B13 aus Birka, Grab 735 erworben. Die ist als einziger Bestandteil der Tunika rein „chemisch“ gefärbt.

Die Zutaten das erste Mal zur Farbprobe vereint.

Der Zuschnitt der Tunika war für mich die größte Hürde – mit dem Zuschneiden von Kleidung, besonders bei hochwertiger Wolle, tue ich mich noch immer schwer. Irgendwann waren dann alle Stücke ausgeschnitten und ich habe jedes einzelne mit waidgefärbtem Wollgarn handvernäht. Das dauerte seine Zeit und nach der Aktion war auf einmal April. Mittlerweile war die Borte da und die Nervosität wuchs. Ich hätte mal mehr als 1m bestellen sollen.

Wer mißt, mißt Mist.

Erste Stellproben wurden mit diversen Facebook-Gruppen besprochen. Das Ergebnis war nicht eindeutig.

Machen wir’s so? Sieht seltsam aus und ich habe viel Borte verschenkt.

Nach längerem Probieren habe ich die Borte dann in 20cm-Stücke geschnitten und die Enden umgelegt und fixiert.

 

Langsam wird es ein Bortenbesatz…

Das Ganze mußte dann „nur noch“ auf die Seide als Trägermaterial aufgenäht werden – im Fund in Bj735 war auch die Borte auf ein Stück Seide genäht. Das ergibt bei einem so teuren Besatz auch Sinn, denn war das Kleidungsstück, auf dem er saß, kaputt (oder unmodisch geworden), konnte der Besatz abgetrennt und weiterverwendet werden.
Beim Nähen von silberner Drahtborte auf die Seide wurde es lustig. Mit Stecknadeln fixieren ist bei Silberdraht vs. Seide ein Alptraum (das eine Material ist hochflexibel, das andere so starrsinnig wie ein Ostwestfale), also habe ich mir von Lisa den Tip geholt, die Borte schnell mal festzusteppen. Und dann ging’s auch mit dem Vernähen.

Nächster Schritt: Seide auf Wolltunika nähen. Das war beim Quadrat mit der Borte noch einigermaßen friemelig, aber als ich mich vom Gedanken verabschiedet habe, auch nur eine wirklich gerade Kante zu haben, ging es dann.

Wie nennt man Rechtecke mit konvexen Seiten?

Danach fehlte noch ein bißchen Besatz für die Ärmel – das war dann verhältnismäßig einfach. Die Besätze sind 2cm breit, was vermutlich sogar schon am oberen Ende für die wikingerzeitlichen Besätze war (1cm oder weniger war vermutlich nicht unüblich) – aber ich habe nicht die handwerklichen Fähigkeiten, um mit einem so dünnen Besatz klarzukommen. Noch nicht.
Zum Vernähen der Seide habe ich glücklicherweise Seidengarn aus derselben Färbung verwenden können, das praktisch überhaupt nicht sichtbar ist. Trotzdem habe ich mit extra kleinen Stichen (wieder: Für meine Verhältnisse, die Originalfunde sind teilweise mit kleineren Stichen vernäht als moderne Maßhemden!) genäht.

Abstecken… annähen…

Erster Ärmel fertig.

Detail der Naht

Und dann war irgendwann der letzte Faden versäubert und die Tunika fertig. Um die Halsöffnung schließen zu können, habe ich noch einen Kaftanknopf nebst Schlaufe angenäht, das ist aber erstmal eine temporäre Lösung.

Und so sieht die fertige Tunika aus.

Die fertige Tunika

Detail des Besatzes

English summary

I made a new tunic for myself, based on finds from Birka. The wool is indigo dyed tabby, hand sewn with indigo or woad dyed wool thread. The silk used is redwood dyed fine silk, sewn onto the base wool with redwood dyed silk thread.

The braid is based on Birka B13 braid from Bj735 and sewn into 5 „ribs“ (original had around 8, and some diagonal crossing) onto the silk. The braid is made from silk warp and silver weft, probably not indigo but artifical dye, but very close in colour tone.

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