Statens Historiska Museet Stockholm

Einer der wichtigsten Programmpunkte unserer Schwedentour war das „Statens Historiska Museet“ (Staatliches Historisches Museum), von Kennern liebevoll nur „SHM“ genannt. Dieses Museum, das mit seiner umfangreichen Fund- und Bilddatenbank ein wahres Füllhorn für den Reenactor des schwedischen Frühmittelalters bietet, hat all die schönen Funde tatsächlich „in natura“ ausgestellt. Am Montag nach unserer Birka-Tour haben wir also schnell ein Tram-Ticket gelöst und sind losgetigert.

Das Museum verfügt neben der großen Ausstellung zu wikingerzeitlichen und vendelzeitlichen Funden im Erdgeschoss noch über einen Mitmachbereich im Lichthof (der allerdings eher für Kinder gedacht ist) und über einen weitläufigen Bereich mit hoch- und spätmittelalterlichen Exponaten. Im Keller ist der „Goldraum“ untergebracht, in dem alle Gold- und viele Silberfunde untergebracht sind – insgesamt 52 Kilogramm Gold und über 200 Kilogramm Silber! Aber fangen wir vorne an…

Frühmittelalterliches Graffiti

Löwenstatue aus Piräus mit Runeninschrift

Löwenstatue aus Piräus mit Runeninschrift

Den Eingangsbereich zieren diverse Bild- und Runensteine (teilweise Repliken) sowie eine 1:1 Replik einer Löwenstatue, die im Original aus Piräus stammt, jetzt jedoch in Venedig steht. Diese Löwenstatue hat eine Besonderheit, nämlich eine Runeninschrift, die von Warägern auf der Durchreise im 11. Jahrhundert angebracht wurde. Die Inschrift auf der im Bild sichtbaren Seite lautet (Quelle: Wikipedia, nach Hrafns Interpretation): ASMUDR : HJU : RUNAR : ÞISAR : ÞAIR : ISKIR : AUK: ÞURLIFR : ÞURÞR : AUK : IVAR : AT : BON : HARADS : HAFA : ÞUAT : GRIKIAR : UF : HUGSAÞU : AUK : BANAÞU : (Asmund schnitt diese Runen mit Iskir (Asgeir) und Thurlifr (Thorleif), Thurthr (Thord) und Ivar auf den Wunsch Haralds des Großen obwohl die Griechen daran gedacht und es verboten haben) sowie auf der anderen Seite HAKUN : VAN: ÞIR : ULFR : AUK : ASMUDR : AUK : AURN : HAFN : ÞESA : ÞIR : MEN : LAGÞU : A : UK : HARADR : HAFI : UF IABUTA : UPRARSTAR : VEGNA : GRIKIAÞIÞS : VARÞ : DALKR : NAUÞUGR : I : FIARI : LAÞUM : EGIL : VAR : I : FARU : MIÞ : RAGNARR : TIL : RUMANIU . . . . AUK : ARMENIU :
Durch die starke Verwitterung des Originals sind die Runen praktisch nicht mehr lesbar; es gibt daher einige andere Interpretationen. Der Löwe ist viel älter als die Wikinger (wohl aus dem 1./2. Jahrhundert) und stand zur Zeit der Runeninschrift in Piräus. Die zweite Inschrift handelt von der Einnahme der Stadt durch Waräger und dem Verbleib einiger Mitglieder der Truppe („Rumaniu“ und „Armeniu“ bezeichnen die entsprechenden Völker bzw. Länder).

Der Goldraum

Bleiglasfenster vor dem Goldraum im SHM

Im extra gesicherten Keller des Museums liegt der Goldraum. Hinter massiven Panzertüren werden über 50kg Gold aus allen Perioden der schwedischen Geschichte sowie über 200kg Silber ausgestellt. Leider ist das Fotografieren im Goldraum strikt untersagt und daran haben wir uns auch gehalten – daher gibt es hier keine Fotos. Im Goldraum waren unter anderem massive vendelzeitliche Halsreifen (fast schon Halsspangen) mit einem Goldgewicht von etwa 1kg (reiner Materialwert heute: ca. 30.000EUR, damals sehr viel wertvoller wegen relativ geringerer Goldmengen), aber auch die goldenen Knäufe von Schwertern aus der Vendelzeit (mit Granateinlagen) und der Wikingerzeit (das berühmte und vielfach schlecht von fernöstlichen Spritzgußverbrechern kopierte „Dybek-Schwert“) sind ausgestellt. Viele, viele Hals-, Arm und Fingerringe, Medaillons, Thorshämmer, Brakteate, Goldmünzen und- Barren machen den Goldraum zu einer Schatzkammer, die einem Zwergen- oder Drachenschatz zur Ehre gereichen würde. Soviel Gold und Silber werden wir wohl nie wieder auf einen Haufen sehen.

Gotländischer Bildstein vor dem Goldraum im SHM

Gotländischer Bildstein Ardre VIII vor dem Goldraum im SHM

Da wir keine eigenen Fotos aus der Goldkammer haben, verweise ich auf die Fotosammlung zum Thema auf den Seiten des Museums (schwedisch).
Am Eingang zum Goldraum steht übrigens einer der berühmten gotländischen Bildsteine, Ardre VIII, „mal eben so“ als Dekoration herum, und alle Elemente der Architektur (so auch die Fenster) sind „viking themed“. Sehr viel Liebe zum Detail!

 

 Das Wikinger-Mekka

Eingang zur Wikingerausstellung im SHM

Eingang zur Wikingerausstellung im SHM

Nach einem langen Rundgang durch den Goldraum kamen wir endlich am Ziel unserer Träume an – der wikingerzeitlichen Ausstellung. Da es noch relativ früh an einem Montag war, hatten wir bis auf ein halbes Dutzend anderer Besucher die komplette Ausstellung für uns und konnten nach Herzenslust staunen und fotografieren. Und zu fotografieren gab es wahrlich genug.

Die Ausstellung wikingerzeitlicher Funde im SHM verfolgt – zumindest meiner Erkenntnis nach – keine klare zeitliche oder örtliche Linie. Die Exponate sind grob nach Sachart sortiert – d.h. Ackerwerkzeuge und Tierfunde sind beieinander untergebracht.

Schwerter

Parierstange mit Tauschierungen

Direkt in der ersten Vitrine sind einige Waffenfunde ausgestellt. Die Schwerter sind naturgemäß stark verwittert, aber an den Knäufen und den gut erkennbaren Details der Verschweißung („Damaszierung“) kann man noch ablesen, wie prachtvoll die Schwerter mal gewesen sind. Leider kann ich die Schwerter keinem Fund aus Birka oder anderen bekannten wikingerzeitlichen Schwertern zuordnen – ein paar Detailfotos habe ich zwar gemacht, aber keine Übersichtsbilder. Die Verzierung der Montierungen finde ich in „Swords of the Viking Age“ zumindest nicht wieder und auch die Fundbilder aus Birka geben nichts her. Vielleicht hat ja jemand einen Tip – wir freuen uns über sachdienliche Hinweise.Hier ein paar Bilder.

Schwertknauf Petersentyp L mit Tauschierungen

In unserer Galerie finden sich noch einige weitere Bilder von Schwertfunden – leider sind manche wegen der ungünstigen Lichtverhältnisse ziemlich unscharf. Ich brauche dringend ein (sauteures) lichtstarkes Objektiv für Innenaufnahmen…

Schmuck

Ein Silberhort aus Birka

In den Vitrinen mit den Birkafunden gibt es auch Schmuck, so weit das Auge reicht – hauptsählich Bronze und Silber (das Gold ist ja gut weggeschlossen). Zunächst fiel uns auf, wie viele Schildkrötfibeln ausgestellt waren – die Menge ist im Vergleich zu den anderen Exponaten recht überwältigend. Sie stellt aber auch gut die Verhältnisse in der Fundlage dar – es wurden bis jetzt 150 Paar Schalenspangen in Birka gefunden, hauptsächlich in Körpergräbern. Es gibt etwa 20 Typen von Schalenspangen und man könnte meinen, von jedem Typ eine im Museum zu finden.

Schildkrötfibeln (Schalenspangen) aus Birka.

Übrigens gab es auch ein Paar Kinder-Schalenfibeln nebst Perlenkette – sehr niedlich!

Mützenspitze aus Birka, Bj581.

Neben der reichen Auswahl an Spangen gibt es natürlich das eine oder andere Exponat, das wir in der Darstellung selber mit uns herumtragen. Allen voran die berühmte Mützenspitze! Ich trage so ein Teil an einer Fellmütze mit mir herum und wurde auf die Reproduktion auf dem Schiff nach Birka (hier ist unser Birka-Artikel) angesprochen. Die Repro ist Bronze und das Original mußte ich natürlich suchen. Es ist zusammen mit den Troddeln aus Silberdraht ausgestellt, die wohl ursprünglich von der Mütze herabhingen. Die ausgestellte Mützenspitze ist aus Grab 581; es existiert noch eine zweite Spitze (ohne runde Kugel oben auf der Mützenspitzenspitze) aus dem reichen Grab 644.

Silberanhänger im Borrestil aus Birka

Für Frenja gabs auch viel zu gucken, unter anderem eine echt beeindruckende Kette mit einem Dutzend Bergkristallanhängern (sie hat einen!) und viele andere spannende Eindrücke. Besonders auffällig sind die mehreren Silberhorte, die schön protzig zu Haufen aufgetürmt in Vitrinen liegen, und die große Menge fast identischer Schmuckstücke. Exemplarisch die links im Bild sichtbaren Anhänger aus Silber im Borrestil, die sich nur sehr geringfügig unterscheiden (die hintere Reihe ist, soweit ich das sehen konnte, sogar identisch zueinander) und natürlich die Schalenfibeln. Massenproduktion würde ich das jetzt nicht nennen, aber zumindest eine Kleinserie.

Silberposamente in Kreuzform aus Birka

Silberposamente (Hallo, Rieke!) waren ebenfalls ausgestellt, siehe Foto oben. Insgesamt eine überwältigende Auswahl und zu viele Fotos, um sie alle in diesen Blogeintrag zu quetschen. Den Link zu unserer Galerie findet ihr unten.

Sachkultur

Viele Alltagsgegenstände aus Birka und Schweden wurden in den Gräbern sowie im Siedlungsgebiet der „Schwarzen Erde“ gefunden und sind auch im SHM ausgestellt. Durch Reproduktionen, die von Frühmi-Darstellern viel verwendet werden, sind viele der Gegenstände recht bekannt geworden und wir mußten uns die natürlich auch ansehen.

Kanne mit Zinnfolie verziert aus Birka

Das hier ist eine Kanne, die mit Zinnfolie verziert ist. Ist als Reproduktion quasi unbezahlbar, aber schön anzusehen.

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Sturzbecher aus Birka

Im Foto darunter sieht man Sturzbecher aus Glas, die recht zahlreich in Birka (und im Wikingerrestaurant Aifur!) gefunden wurden. Sturzbecher, weil man sie nicht abstellen kann und somit das Getränk „herunterstürzen“ muß.

Hnefatafl-Spielsteine aus Birka

Hnefatafl-Spielsteine aus buntem Glas. Vollständiger Satz der einen Seite (König ist der große Bursche), einige Steine der anderen Seite.

Gürteltasche im ungarischen Stil „Tarsoly“ aus Birka.

Beschlagsatz und Lederreste einer Gürteltasche. Ich muß feststellen: Die Reproduktion von Pera-Peris ist viel zu groß; im Original ist der Mittelbeschlag mal gerade 4cm breit. Die resultierende Gürteltasche hätte etwa eine Breite von 10-12 cm.

Silbermünzen aus Birka

Einige Silbermünzen aus Birka. Es wurden einheimische, „fränkische“ und arabische Münzen gefunden.

Bronzegewichte und Balkenwaage aus Birka.

Gewichte und eine Waage, wie ich sie mir auch irgendwann einmal bauen will. Oder zumindest eine gute Repro kaufen! Oben links ist der bronzene Transportbehälter, am Gewicht unten rechts kann man schön die arabische Aufschrift sehen.

Ich habe beim Schreiben des Artikels mehrfach meinen Plan geändert und einige Bilder hochgeladen, aber nicht verwendet. Daher hier einfach mal die Galerie der Bilder für diesen Beitrag – mehr findet Ihr in unserer „großen“ Galerie (Link ganz am Ende des Beitrags).

Vendel / Valsgärde

Vendelzeitlicher Helm

Es gibt ja nicht nur die Wikingerzeit, sondern auch davor viel und danach viel. Im SHM kommt auch die Vendel- und Valsgärde-Anlage nicht zu kurz – einige der Exponate sind wirklich beeindruckend (und werden auch gerne als Sinnbilder für die Wikingerzeit verwendet). Ich bin leider nicht sehr tief in der Materie, daher einige weitgehend unkommentierte Aufnahmen. Im (wesentlich kleineren) Raum mit den Vendel- und Valsgärde-Funden war außerdem eine sehr nervige englische Familie, die ständig alles und jeden mit Blitz fotografiert hat. Da mußten wir weg.

Vendelzeitlicher Schwertgriff.

Schwertmontierungen aus der Vendelzeit. Granateinlagen und stilisierte Ringe rechts am Knauf. Hatten die eine Funktion (d.h. sorgten sie für bessere Balance) oder ist es eine Überstilisierung der früher üblichen losen Ringe, von denen man m.W. auch noch nicht so genau weiß, was sie zu bedeuten hatten?

Vendelhelm

Der Vendelhelm. Leider nicht ganz scharf, aber trotzdem schön!

Sax aus dem Vendelgrab

Ein Sax aus dem Vendelgrab. Ist clevererweise im Wikinger-Raum ausgestellt und ich habe ihn fast mit dem fast identisch aussehenden Sax aus Birka verwechselt. Die Kunststile waren schon sehr ähnlich (und ich habe bis heute leise Zweifel, ob es sich nicht um eine Fehlbeschriftung handelt…).

Reste eines Rundschilds aus der Vendelzeit.

Helm aus der Vendelzeit.

Und dann war da noch…

…eine größere hoch- und spätmittelalterliche Sammlung, die wir uns aber nur im Sauseschritt angesehen haben. Sicher tun wir ihr damit furchtbar Unrecht, aber wir hatten einfach keine Lust mehr.

Im Innenhof waren einige Zelte aufgebaut und neben „wikinger-Aktivitäten“ wie „sich gegenseitig mit einem Strohsack hauen“ gab es auch einen Auftritt einer offenbar osteuropäischen Gruppe von kleinen Jungen und Mädchen (der älteste vielleicht 14), die in Trachten einen volkstümlichen Tanz aufführten. Mit Wikingern hatte das jedoch eher wenig zu tun, vielleicht waren sie Nachfahren der Kiewer Rus… 🙂

Ein Museum zum Verlieben

Das SHM ist ein Museum zum Liebhaben. So viele wikingerzeitliche Funde auf einmal sind eine Goldgrube für den eigenen „Reality Check“ und darüber hinaus auch schön anzusehen. Ein absolutes Muß für jeden Stockholm-Besucher!

Alle Fotos hier: Galerie SHM

Ein Gedanke zu „Statens Historiska Museet Stockholm

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